Christine Rinderknecht

Tropische Nacht

Die Eltern des 35-jährigen Lothar sitzen vor der Urne ihres Sohnes, starren sie an, stellen sich Fragen, winden sich: Wie konnte es dazu kommen? Hätten sie selber etwas verhindern können? Kannten sie ihren eigenen Sohn überhaupt, dessen Überreste wie die eines Fremden scheinen? Lothar hat sich das Leben genommen, indem er ohne ein kurzes Zurückzucken über das Geländer der Brücke sprang und sich in den Tod stürzte. Doch er entschied nicht nur für sich alleine, die Welt zu verlassen: Seine Frau und seine beiden Kinder riss er ebenfalls aus dieser Welt, indem er sie brutal ermordete. In seinem Abschiedsbrief hinterlässt er lediglich einen Satz: "Sorry, dass ich nicht alleine gehen konnte."
Rückblicke geben Rückschlüsse über Lots Leben, doch geben sie auch Antworten? Er heiratete die schöne Sara, bekam mit ihr seine Engelstochter und einen Sohn, Toni, ein auffälliges Kind, das den Eltern Probleme bereitete. Saras Exfreund Thomas freundete sich mit Lothar an. Er konnte beobachten, wie Lots Verhalten sich veränderte, er agressiver wurde; merkwürdig fand er die Killerspiele und den rauen Musikgeschmack. Merkwürdig, ja! Aber beunruhigend? Eher nicht. Kann es überhaupt Antworten geben, wenn Fragen sich ihren Weg in den Kopf bahnen, der gedanklich immer noch in der Vergangenheit hängt, eher bei den eigenen Fehlern, als bei den Schwierigkeiten des Sohnes?
Lots Vater meint, sein Sohn dürfe nicht begraben werden, da er es nicht verdiene. Lots Mutter trauert, weil ihr Sohn nicht mehr bei ihr ist und weil sie ihrem Sohn schon so fern war, als er noch lebte.
Christine Rinderknecht schafft es insbesondere durch ihre eindringliche Sprache, die Gedanken und Zweifel der Hinterbliebenen zu rekonstruieren. Die Figuren scheinen weniger zueinander, als vielmehr zu sich selbst zu sprechen. Sowohl Rückblick als auch Gegenwart werden so zu einem schmerzvollen Ringen um Vorwürfe, Trauer und Fragen, die vielleicht niemals Antwort finden.

Schauspiel – 2D 3H    frei zur UA
TSV-ID1309

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